16 Jun

Botschafter Dr. Péter Györkös hat heute einen Brief an die Chefredakteurin des öffentlich rechtlichen Radiosenders, Deutschalndfunk geschickt. Er protestiert darin gegen die Aussagen bezüglich der Verantwortung der ungarischen Behörden beim tragischen Tod von 71 Flüchtlingen in einem Schlepperwagen 2015. Den Brief und dessen Anhänge finden Sie unten. 


An die Chefredakteurin des Deutschlandfunks

Frau Birgit Wentzien

Köln

 

Berlin, den 16. Juni 2017

 

Sehr geehrte Frau Chefredakteurin,

 

als ich als Botschafter nach Deutschland kam und Ihre Redaktion besuchen konnte, kam in der intensiven Debatte mit Ihren Kollegen auch zur Sprache, dass ich im Prinzip jeden Morgen Ihr Programm höre. Daran hat sich seither nichts geändert. Zwischen 5:15 Uhr und 6:45 Uhr und auch noch im Auto auf dem Weg in die Botschaft verfolge ich die Sendungen des deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für einen Botschafter von Ungarn birgt das wenig Freude, ist doch der DLF hinsichtlich der Nachrichten mit Ungarnbezug einer der kritischsten Sender, hinzu kommt, dass in den Sendungen seit Monaten ausschließlich negative Meinungen vorgebracht werden, den ungarischen Standpunkt hört man (so gut wie) nie. Aber ich respektiere Ihre redaktionelle Freiheit, Sie gehen sicher besonnen vor.

Gestern jedoch war etwas zu hören, was ich nicht unkommentiert lassen kann. In Ihrer Nachrichtensendung hieß es im Zusammenhang mit der sog. Todesfahrt des Kühllasters: Aber die Ungarn verstanden anscheinend zu spät, was vor sich geht.

Was Ungarns offizielle Reaktion angeht, übersende ich Ihnen zu Ihrer freundlichen Information das Transkript der gestrigen Presseerklärung des das Amt des Ministerpräsidenten leitenden Ministers sowie die Stellungnahme des Innenministeriums.

Doch gestatten Sie mir noch eine persönliche Anmerkung: Wir, die Ungarn, einige Millionen, sind seit einem Jahrtausend ein europäisches Volk. Wir haben Tugenden und wir haben Fehler. Bei uns gibt es Blonde und Brünette. „Die Ungarn“ haben sich in der Geschichte einige Male geirrt, aber oft genug haben sie Ihnen und Europa Gutes getan. In der Flüchtlingskrise haben „die Ungarn“ richtig gehandelt.

Es waren also erstens einmal „die Ungarn“, die Bedeutung, Ausmaß, Charakter und Gewicht des Phänomens erkannt haben.

Zweitens haben „die Ungarn“ die Mitgliedstaaten und die gemeinsamen Institutionen unverzüglich in Kenntnis gesetzt (das habe ich selbst getan, denn vor dem 1. Oktober 2015, als ich nach Berlin kam, habe ich mein Land bei der EU vertreten).

Drittens haben „die Ungarn“ die ersten Schutzmaßnahmen ergriffen - bis heute haben wir wohl allen bewiesen, dass die Außengrenze gesichert werden kann - womit sie unter anderem auch Deutschland vor den Massen illegaler Einwanderer bewahrt haben.

Viertens spielten „die Ungarn“ eine Schlüsselrolle beim Zufallbringen des Geschäftsmodells der Schleuser – zumindest auf der Westbalkanroute.

Und fünftens konnten dank des entschlossenen, manche nennen es hartherzigen Auftretens „der Ungarn“ sehr viele Menschenleben gerettet werden, eben weil das Schleusermodell vereitelt wurde.

Als einer der Ungarn aus Ihrer Reportage wünsche ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern ein schönes Wochenende!

In der Hoffnung auf einen Dialog lade ich sie herzlich nach Berlin zu einem Gespräch ein, oder reise selbst gerne zu Ihnen nach Köln.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Péter Györkös