Diskussionsbeitrag des Botschafters Dr. Györkös Péter anlässlich der Vorstellung des Ungarisch-Deutschen Barometers
Das Nézőpont-Institut und die Konrad-Adenauer-Stiftung haben kürzlich das Ungarisch-Deutsche Barometer 2022 vorgestellt (https://www.kas.de/.../172b7234-2f4c-05bf-a973...). Die Zahlen sprechen Bände. Folgende Zahlen sind - wenn auch etwas willkürlich – schließlich hervorhebenswert:
59 % der Deutschen und 56 % der Ungarn haben eine positive Meinung über den jeweils anderen. Wenn wir auf das "goldene Zeitalter" von 1989 bis 1990 zurückblicken, können wir zweifellos einen sehr negativen Trend identifizieren. Die ungarisch-deutschen Beziehungen leiden darunter, dass in den deutschen Medien und nicht zuletzt in der deutschen und europäischen Politik die Prämisse "Im Zusammenhang mit Ungarn sprich nur Schlechtes oder schweige" als ungeschriebene Gesetz gilt, dazu kommen die pandemiebedingten zwei „gestohlenen Jahre”, dementsprechend sollten wir uns mit diesen Zahlen zufrieden geben. Das Problem und der damit verbundenen Druck sind erkannt, denn ich stimme mit Herrn Volkmar Klein, dem Vorsitzenden des ungarischen Freundeskreises der CDU/CSU-Bundestagfraktion, vollständig überein, dass das Glas tendenziell weiterhin sich leert als sich füllt. Die Aufgabe ist also gegeben, und die Herausforderung nimmt für diejenigen allmählich zu, denen die Pflege und die Verbesserung der ungarisch-deutschen Beziehungen am Herzen liegen.
Dies ist aus mehreren Gründen notwendig. Auf beiden Seiten fürchtet man, dass die bilateralen Beziehungen aufgrund der unterschiedlichen politischen Konstellationen schwieriger werden, sogar sich verschlechtern könnten. Gleichzeitig ist eine sehr große Mehrheit auf beiden Seiten (88 % bzw. 70 %) der Meinung, dass die ungarisch-deutschen Beziehungen für die Zukunft der EU wichtig sind. Darin mag sich auch die Erkenntnis widerspiegeln, dass die Ungarn und die Deutschen in den Jahren 1989-1990 eine Vorreiterrolle bei der Überwindung der Teilung Europas und der Wiedervereinigung des Kontinents gespielt haben, und dass sie heute angesichts der schwierigen Umstände eine besondere Verantwortung dafür tragen, die EU zusammenzuhalten, die Risiken des Zerfalls zu bewältigen und die Souveränität der EU zu stärken.
Die Ergebnisse jener Umfrage sind kurios, an manchen Stellen geradezu absurd. Laut Auswertung sei die Mehrheit dafür, dass es sich nicht lohnt, in Ungarn zu investieren. Dagegen haben 2021 und 2022 88 % der befragten Unternehmen, die in Ungarn vorher Investitionen getätigt haben, ihre Entscheidung bekräftigt und würden erneut in Ungarn investieren. Es ist auch eigenartig, dass die Hälfte der befragten Deutschen die Meinung geäußert haben, die ungarischen Medien dürften die Regierung nicht kritisieren. Es mag ein wenig zynisch klingen, aber man muss sich fragen, ob so viele Menschen in der Tat Ungarisch lesen und verstehen können. Ich selbst höre jeden Morgen von 5 bis 9 Uhr den Deutschlandfunk, sehe mir die Nachrichten in öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern an, lese 10-12 Tageszeitungen (plus die Wochenzeitungen) und dann folgt eine ähnliche Anzahl ungarischer Presseprodukte und Nachrichtenportale. Eine objektive Berichterstattung über die Lage in Ungarn, die den Fakten, einem anderen Land und dessen Gesellschaft Respekt zollt, ist selten geworden, ja sie ist eher Ausnahme. Die Prämisse "Im Zusammenhang mit Ungarn sprich nur Schlechtes oder schweige” ist in der Statistik recht anschaulich dargestellt: 81,75 % der Berichterstattung über die ungarische Regierung waren negativ und lediglich 2,38 % positiv.
Bevor wir mit den Achseln zucken und die Hoffnung auf die Verbesserung bilateraler Beziehungen aufgeben, sollten wir uns mit dem - meiner Meinung nach - wichtigsten Datensatz auseinandersetzen. Der Prozentsatz der Menschen, die sich freuen oder es akzeptieren würden, wenn ihr Nachbar, Kollege oder Freund Ungar oder umgekehrt Deutscher wäre, liegt bei fast 90 %. Diese Zahl beläuft sich beim Familienmitglied, „Schwager” auch auf 80%. Das Hier und Jetzt, die gemeinsame Vergangenheit, die kulturelle Verbundenheit und Verwurzelung ist tief und gibt uns Kraft, Hoffnung und gemeinsam zu lösende Aufgaben.